Arbeit oder Vergnügen?
Notiz / 3. Januar 2025
Arbeit oder Vergnügen? Das ist immer die Frage, wenn es um meine vier Literaturkreise geht. Es sind sehr unterschiedliche Gruppen, mit denen ich über Bücher diskutiere, aber ich habe jede einzelne in mein Herz geschlossen. Die abgebildeten Romane sind unser Programm für den Januar. Ganz schön viel Arbeit, sie zu lesen, Hintergrundrecherche zu Autor:in und Werk, Rezeptionen und Rezensionen, zu Sprache, Stil und Gestaltung zu betreiben. Belohnt werde ich dafür mit spannenden Diskussionen und interessanten Perspektiven auf das Gelesene. Das ist dann das Vergnügen, wobei sich meistens beim Lesen schon eine gewisse Vorfreude einstellt. Um Euch einen Einblick in mein Literaturkreis-Universum zu gewähren, stelle ich die Kreise kurz vor. So bekommt Ihr einen Eindruck von der Vielfalt an Literaturkreisen und könnt meinen Spaß an dieser Sache nachvollziehen.
Mein Literaturkreis an der VHS Tübingen besteht seit dem Wintersemester 2014. Er wird für jeweils ein Semester gebucht, was bedeutet, dass wir uns einmal pro Monat vor Ort treffen. Die meisten Teilnehmenden sind von Beginn an dabei, im Laufe der Jahre kamen ein paar Neue dazu. Inzwischen sind wir auf 16 Frauen und einen Mann angewachsen. Wir kennen uns gut, sind vertraut miteinander und diskutieren überwiegend kontrovers, aber stets respektvoll miteinander. Unsere Leseliste ist anspruchsvoll und bis jetzt haben wir 100 Bücher zusammen besprochen, hoch gelobt oder verrissen. Unser Titel für Januar ist „Gotthard“ von Zora del Buono.
Ab dem Sommersemester 2025 kommt ein Online-Angebot dazu, bei dem Veranstaltungen einzeln gebucht werden können. So kann’s weitergehen!
Über meine Plattform „Literaturkreis.online“ betreibe ich aktuell zwei Literaturkreise. Einer davon ist privat: Vier Freundinnen aus der Schweiz treffen sich in lockerer Terminabfolge online mit mir, um über ein gemeinsam ausgewähltes Buch zu diskutieren. Manchmal stellen wir fest, dass sich ein deutscher Blick auf ein Thema von einem schweizerischen unterscheidet, weil unsere Gesellschaften bei aller Gemeinsamkeit eben doch – nicht zuletzt aufgrund der Geschichte – verschieden sind. Ich freue mich deshalb sehr, dass wir für unser nächstes Treffen den Roman „Reichskanzlerplatz“ von Nora Bossong ausgesucht haben.
Der andere Online-Kreis ist öffentlich. Dort haben sich Literaturbegeisterte aus allen Teilen Deutschlands zusammengefunden. Das Spannende ist, dass ich vorher nie genau weiß, wer dabei sein wird. Außer zwei regelmäßig Teilnehmenden wechselt die Besetzung. Aber ich finde es ungemein interessant, neue Menschen kennenzulernen, auch wenn wir uns nur für 90 Minuten Buchdiskussion begegnen. Mittlerweile legen wir Termin und Lektüre gemeinsam fest. Unser Januar-Projekt ist der neue Roman von Joachim Meyerhoff „Man kann auch in die Höhe fallen“. Das wird ein echtes Vergnügen!
Mein vierter Kreis ist wieder ein privater und findet vor Ort statt – in einem Wohnzimmer. Seine Entstehung ist eine witzige Geschichte: Die Suche im Internet nach einem Präsenz-Literaturkreis in einer bestimmten Stadt führte zu einer ersten Kontaktaufnahme mit mir über LinkedIn und einem anschließenden Treffen auf ein Glas Wein in besagter Stadt zum gegenseitigen Beschnuppern. Schnell war die Idee geboren, einfach einen Literaturkreis zu gründen und ein paar Mitstreiter:innen zu suchen. Ursprünglich wollte ich das Projekt nur anstoßen und mich dann zurückziehen. Doch der „Literaturkreis in der Oststadt“ ist mir so ans Herz gewachsen, dass ich gerne dabeibleibe. Fünf Frauen von „Anfang 30“ bis „um die 70“ treffen sich einmal im Monat in gemütlichem Ambiente zum Austausch. Unser Buch für Januar ist „Pi mal Daumen“ von Alina Bronsky. Dann wird voraussichtlich auch unser jüngstes Mitglied, ein neuer Erdenbürger, in seiner Wiege in einer Ecke schlummern.
Die Arbeit hat sich gelohnt, wenn mir die Teilnehmenden das Vergnügen machen, zu sagen, dass unsere Diskussion eine Bereicherung für sie war!