Doppelsieg!
Notiz / 29. November 2022
Kim de l’Horizon hat es geschafft, sowohl den Deutschen wie auch den Schweizer Buchpreis 2022 zu gewinnen. Das muss man erst einmal schaffen: Herzlichen Glückwunsch! Was aber macht den Roman „Blutbuch“ so preiswürdig?
„Mit seiner enormen kreativen Energie sucht die non-binäre Erzählfigur (…) nach einer eigenen Sprache. Welche Narrative gibt es für einen Körper, der sich herkömmlichen Vorstellungen von Geschlecht entzieht?
Jurybegründung Deutscher Buchpreis
Fixpunkt des Erzählers ist die eigene Großmutter, die „Großmeer“ im Berndeutschen, in deren Ozean das Kind Kim zu ertrinken drohte und aus dem es sich jetzt schreibend freischwimmt.
Die Romanform ist dabei in steter Bewegung. Jeder Sprachversuch, von der plastischen Szene bis zum essabartigen Memoiren, entfaltet eine Dringlichkeit und literarische Innovationskraft, von der sich die Jury provozieren und begeistern ließ“
„Kim de l’Horizon hat in „Blutbuch“ eine non-binäre Erzählfigur geschaffen, die sich in die eigene Kindheit begibt und ihrer Familiengeschichte nachgeht. Was geschieht, wenn gesellschaftliche Normen gebrochen werden? Wenn über Gewalt nicht gesprochen wird? Kim de l’Horizon verwandelt Erfahrung in Literatur – eigene Erfahrung und die Erfahrung von Mutter, Großmutter und der Frauen davor.
Jurybegründung Schweizer Buchpreis
Auf dieser Suche probiert Kim de l’Horizon verschiedene Sprachen, Stimmen und Register aus. „Blutbuch“ gibt keine Antworten, sondern stellt die Fragen immer wieder neu. Mit diesem Roman hat Kim de l’Horizon erzählerisches Neuland betreten.“
Ich habe dieses Buch als Zumutung im besten Sinne des Wortes empfunden, denn mir wurde bei der Lektüre tatsächlich einiges abverlangt. Sowohl die inhaltliche wie auch die sprachliche Komplexität haben mich ständig herausgefordert, an Grenzen gebracht, meinen Widerspruchsgeist geweckt und viele Fragen aufgeworfen. Ich war berührt, fasziniert, wütend, angewidert, ratlos, irritiert und noch einiges mehr. Schon lange hat mich kein Roman mehr so sehr aufgewühlt und mein Denken herausgefordert; deshalb bekommt er meine volle Empfehlung.
Niemand sollte „Blutbuch“ nur für sich lesen. Meiner Meinung nach ist das der Stoff, aus dem Debatten geschneidert werden. Wir sollten über dieses Buch sprechen! Jetzt!