Nikolaus
Notiz / 6. Dezember 2020
Aus der Fülle der klassischen und modernen Gedichte über den Nikolaus habe ich eines ausgewählt, das nicht zum geläufigen Repertoire gehört und deshalb eher unbekannt ist. Es wurde von Paula Dehmel (1862-1918) verfasst, die Gedichte und Märchen für Kinder geschrieben hat. Aus jeder Strophe spricht der ganz eigene, altmodische Charme dieses Gedichtes. Laut und langsam vorgelesen, kann sich auch der Erwachsene dieser geheimnisvoll-bezaubernden, liebevoll imaginierten Welt nicht entziehen.
Sankt Niklas´Auszug
Sankt Niklas zieht den Schlafrock aus,
klopft seine lange Pfeife aus
und sagt zur heiligen Kathrin:
Öl mir die Wasserstiefel ein,
bitte, hol auch den Knotenstock
vom Boden und den Fuchspelzrock,
die Mütze lege obenauf,
und schütte dem Esel tüchtig auf,
halt auch sein Sattelzeug bereit;
Wir reisen, es ist Weihnachtszeit.Und das ich’s nicht vergesse, ein Loch
ist vorn im Sack, das stopfe noch!
Ich geh derweil zu Gottes Sohn
und hol mir meine Instruktion.Die heil´ge Käthe, sanft und still,
tut alles, was Sankt Niklas will.
Der klopft indes beim Herrgott an;
Sankt Peter hat ihm aufgetan
und sagt: Grüß Gott! wie schaut’s denn aus?
und führt ihn ins himmlische Werkstättenhaus.Da sitzen die Englein an langen Tischen,
ab und zu Feen dazwischen,
die den Kleinsten zeigen, wie´s zu machen,
und weben und kleben die niedlichsten Sachen,
hämmern und häkeln, schnitzen und schneidern,
fälteln die Stoffe zu zierlichen Kleidern,
packen die Schachteln, binden sie zu
und haben so glühende Bäckchen wie Du.
Herr Jesus sitzt an seinem Pult
und schreibt mit Liebe und Geduld
eine lange Liste. Potz Element,
wie viel artige Kinder Herr Jesus kennt!
Die sollen die schönen Engelsgaben
zu Weihnachten haben.Was fertig ist, wird eingepackt
und auf das Eselchen gepackt.
Sankt Niklas zieht sich recht warm an;
Kinder, er ist ein alter Mann,
und es fängt tüchtig an zu schnein,
da muss er schon vorsichtig sein!So geht es durch die Wälder im Schritt,
Gefunden in: „Reclams Hausbuch zur Weihnachtszeit, S. 152/153
manch Tannenbäumchen nimmt er mit,
und wo er wandert, bleibt im Schnee
manch Futterkörnchen für Hase und Reh.
Aus Haus und Hütte strahlt es hell,
da hebt er dem Esel den Sack vom Fell,
macht leise alle Türen auf,
jubelnd umdrängt ihn der kleine Hauf:
Sankt Niklas, Sankt Niklas,
was hast du gebracht?
Was haben die Englein für uns gemacht?
„Schön Ding! Gut Ding!
Aus dem himmlischen Haus!
Langt in den Sack! Holt euch was raus!“