November

Notiz / 2. November 2020

Liebe Bücherfreunde,

ich hatte den Blogeintrag für heute schon vorbereitet. Aber nach der Lektüre meines F.A.Z. Newsletters zum Frühstück musste ich mich dann einfach umentscheiden. Passend zum nassen Wetter und der aktuellen Corona-Situation zitierte die verantwortliche Redakteurin darin zwei Strophen eines Gedichtes von Erich Kästner, um positiv auf die neue Sachlage einzustimmen. Da Kästners gesammelte Werke einen Platz auch in meinem Bücherregal haben, lag es also nahe, einen Blick in den Gedichtband zu werfen und besagte Zeilen herauszusuchen. Und als hätte ich es geahnt, hat das Gedicht sechs Strophen, wobei die ersten beiden zugegebenermaßen nahezu perfekt in den Zusammenhang passen. Ich finde den Rest aber auch sehr schön, deshalb schreibe ich alle Strophen auf und lasse Euch an meiner Freude teilhaben:

Nasser November
Ziehen Sie die ältesten Schuhe an,
die in Ihrem Schrank stehn!
Denn Sie sollten wirklich dann und wann
auch bei Regen durch die Straßen gehn.
Sicher werden Sie ein bisschen frieren,
und die Straßen werden trostlos sein.
Doch trotz allem: gehn Sie nur spazieren!
Und, wenn´s irgend möglich ist, allein.
Müde fällt der Regen durch die Äste.
Und das Pflaster glänzt wie blauer Stahl.
Und der Regen rupft die Blätterreste.
Und die Bäume werden alt und kahl.
Abends tropfen hunderttausend Lichter
zischend auf den glitschigen Asphalt.
Und die Pfützen haben fast Gesichter.
Und die Regenschirme sind ein Wald.
Ist es nicht, als stiegen Sie durch Träume?
Und Sie gehn doch nur durch eine Stadt!
Und der Herbst rennt torkelnd gegen Bäume.
Und im Wipfel schwankt das letzte Blatt.
Geben Sie ja auf die Autos acht.
Gehn Sie, bitte, falls Sie friert, nach Haus!
Sonst wird noch ein Schnupfen heimgebracht.
Und-, ziehn Sie sofort die Schuhe aus.
Erich Kästner: Zeitgenossen, haufenweise. Gedichte. Herausgegeben von Harald Hartung, S. 252/253.

In diesem Sinne: Genießt die Zeit und bleibt gesund!